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Sieben Missverständnisse zur sozialen Dreigliederung

Vorweg: Das sind Punkte, die ich persönlich als Irrtümer oder Missverständnisse sehe, andere mögen dem ganz oder teilweise, und vielleicht auch mit Recht, widersprechen.

1. Soziale Dreigliederung ist furchtbar kompliziert

Es kann einen in der Tat zur Verzweiflung bringen, wenn man immer wieder andere Texte zur Sozialen Dreigliederung liest und dabei immer neue Aspekte, Widersprüche, Unverständliches und Kompliziertes entdeckt. Muss man das wirklich alles durchackern, um ein Verständnis für die soziale Dreigliederung zu bekommen und in diesem Sinne wirken zu können? Ich denke nein. Alle Dinge haben tiefe Dimensionen, die sich dem Einzelnen erst nach langem Studium oder auch gar nie erschließen. Man kann aber auch auf einer einfachen Ebene Zugang zu Themen bekommen. Um ein Auto zu verstehen reicht es für viele Fälle aus, zu wissen, dass es ein Gefährt auf vier Rädern ist, das Personen transportiert, auf Straßen fährt, meist von einem Fahrer am Lenkrad gesteuert. Wenn man sich dann noch im Klaren darüber ist, dass ein Zusammenprall mit einem Auto sehr gefährlich werden kann, dann weiß man fast alles, was man als Fußgänger über ein Auto wissen muss. Je nach dem, ob man Fahrer, Kundendienstmonteur oder Straßenbauer ist, muss man unterschiedliche Vertiefungen zum Begriff Auto haben. Niemand muss alles wissen, niemand kann alles wissen. Für die wenigsten haben Spezialthemen wie z.B. das Wissen um den Rollwiderstand des Reifengummis xyz, irgendeine Relevanz.

So ähnlich ist es auch mit der Dreigliederung. Eigentlich kann man schon dafür wirken, wenn man spürt, dass eine Entflechtung nötig ist zwischen den Bereichen der Politik, der Wirtschaft und des Kulturellen. Es ist schon viel gewonnen, dass man ein Vertrauen darin hat, dass solche Entflechtungen positive Wirkungen haben werden. Wer das nicht nach einigen Tagen Beschäftigung mit dem Thema gewinnt, der kann wahrscheinlich tausend Seiten zum Thema Dreigliederung Lesen und kommt doch nicht weiter.

Damit will ich überhaupt nicht einer Simplifizierung das Wort reden, will nicht sagen „Dreigliederung ist nichts anderes als ...“ Und trotzdem kann so ein einfacher Einstieg reichen. Wer sich von einer einfachen Darstellung angesprochen fühlt, wird automatisch das Bedürfnis haben, das Thema weiter auszuloten. Und zwar in die Richtung, die ihn interessiert, ausgehend von den Fragen die ihm begegnen, wenn er anfangen will, etwas für die Dreigliederung zu tun. Aber trotz der Komplexität des Themas lässt sich der dahinterstehende Impuls relativ einfach erfassen, um zumindest bescheiden in diese Richtung wirken zu können. Dass ein tieferes Verständnis dann doch auf sehr anspruchsvolle Ebenen, auch spirituelle, führen kann, sei damit in keiner Weise angezweifelt.

2. Wo Dreigliederung drauf steht, ist auch Dreigliederung drin

Ich kenne eine ganze Reihe von Initiativen, die sich die Dreigliederung auf Ihre Fahnen schreiben, bei denen ich aber nicht viel Dreigliederung entdecken kann.

Eine Partei, die gar keine Probleme damit hat, politisch in der Kultur und in der Wirtschaft zu wirken, arbeitet nicht im Sinne der Dreigliederung, auch wenn das noch so dick im Wahlprogramm steht.

Eine Bank, die sich damit rühmt, in die Politik einzugreifen und die ihre Ressourcen nutzt, um in eine bestimmte Richtung ideologische Propaganda zu betreiben, hat nichts mehr mit Dreigliederung zu tun, und es ist daher gut, wenn sie dieses Wort auch selber nicht mehr in den Mund nimmt. (Obwohl sie, insofern sie transparente Kreditbeziehungen schafft, zur Selbsbestimmung des Menschens beitragen kann)

Eine Genossenschaft, die viel von Dreigliederung spricht, selbst aber einen Filz von kulturellen Impulsen und Wirtschaft propagiert, bringt die Dreigliederung nicht voran. Wenn man als Mitglied nicht weiß, ob das nun eine Genossenschaft zum solidarischen Wirtschaften ist, ob die Genossenschaft bestimmte geistige Ziele verfolgt oder gar die politische Gleichberechtigung forcieren will, dann können berechtigte Zweifel aufkommen. Wenn diese Genossenschaft dann auch noch Kommunen als Mitglieder aufnehmen will, dann bliebt von der Dreigliederung gar nichts mehr übrig.

Natürlich sind das meine persönlichen Ansichten, das mag jeder anders sehen. Aber bei Dreigliederung geht es um die Inhalte, nicht um das Namensschild. Und jeder ist herausgefordert selber zu verstehen oder zu spüren, wo wirklich Dreigliederung gepflegt wird. Vielleicht sogar dort, wo es nicht auf dem Schild steht.

3. Wir brauchen bessere Menschen, damit Dreigliederung funktioniert

Genau das Gegenteil trifft zu. Weil wir eben Menschen sind, mit unseren Stärken und Schwächen, unseren Zuneigungen und Abneigungen, genau deshalb brauchen wir eine Gesellschaft, die Platz für solche Menschen hat. Wären wir alle Engel, dann bräuchten wir keine Dreigliederung. Andererseits hilft uns gerade die Dreigliederung, „bessere“ Menschen zu werden. Weil sie uns erlaubt, uns als mündige, selbstverantwortliche Menschen zu entwickeln.

4. Wird die Dreigliederung umgesetzt, dann sind wir alle glücklich

Mit Dreigliederung wird es kein Paradies auf Eden geben. Es werden sich keineswegs alle lieb haben und es wird weiterhin Konflikte geben. Konflikte vielleicht mehr als bisher, wenn wirklich auf Augenhöhe um zum Beispiel die richtigen Preise gerungen wird, und man nicht mehr „die da oben“ als einfachen projizierten Gegner hat. Wenn Erzieherin und Lokführer gegenseitig die richtigen Einkommen finden müssen, und nicht Schulter an Schulter für höhere Löhne demonstrieren können.

Vieles wird anstrengender werden, wenn die Menschen mit ihren verschiedenen Vorstellungen, Bedürfnissen und Meinungen aufeinander treffen, und nichts mehr durch den Staat oder einen anonymen Markt vernebelt wird.

5. Mit Dreigliederung gibt es nur noch gute uns sinnvolle Produkte

Für viele Anhänger der Dreigliederung scheint es selbstverständlich zu sein, dass es mit der Dreigliederung nur noch gesunde Lebensmittel von lokalen Biohöfen geben wird, alle mit Fahrrädern fahren, Yoga-Gymnastik betreiben und anspruchsvoll musizieren.

Solche Gedanken repräsentierten eine Anti-Dreigliederung, denn: Was der einzelne konsumieren möchte ist seine Sache. Solidarität bedeutet, das zu produzieren, was die Menschen haben möchten. Wenn laute und schnelle Motorräder gewünscht sind, dann wird eine solidarische Wirtschaft diese produzieren, und falls künftig mal keiner mehr vegan essen möchte, dann verschwinden vegane Würstchen aus den Regalen. Wer meint, einen geistigen Impuls (Gesundheit, Nachhaltigkeit oder was auch immer) in die Wirtschaft zu drücken zu müssen, der verfilzt eben gerade das Geistesleben und das Wirtschaftsleben. Weil heute die Impulse der Dreigliederung eher aus der biologischen Landwirtschaft und der Waldorfpädagogik kommen und nicht aus der Waffenindustrie und Kinowelt, entsteht der falsche Eindruck, dass eine dreigegliederte Gesellschaft biologische Landwirtschaft und Waldorfpädagogik bevorzugen wird. Natürlich kann es sein, dass sich die Präferenzen der Menschen in einer Gesellschaft ändern, wo Solidarität, Gleichheit und Freiheit organisch miteinander verbunden sind. Ob und in welche Richtung das geht, darüber kann bestenfalls spekuliert werden. Wer postuliert, dass es hier einen zwingenden Zusammenhang gibt, schadet dem Dreigliederungsimpuls mehr als dass er ihn voranbringt.

Ebenso das Ideal der regionalen Versorgung. Diese mag je nach dem sinnvoll sein. Doch je regionaler wir werden, je mehr wir in Richtung selbst verwalteter Biohof gehen, desto weniger brauchen wir die soziale Dreigliederung, weil dann ohnehin alles transparent wird. Dreigliederung ist eine Antwort auf die Herausforderungen der Weltwirtschaft, und auch historisch mit dieser entstanden.

6. Es ist total schwer, für die soziale Dreigliederung zu wirken

Wie ein einzelner Menschen für die Dreigliederung wirken kann, hängt sehr von ihm ab: Seiner Position in der Gesellschaft, seinen Fähigkeiten, seine Mittel. Vor allem von seinem Einfallsreichtum. Wer die Messlatte zu hoch hängt, tut am Ende gar nichts und wartet auf die anderen. Natürlich ist es eine guter Schritt, wenn ein Firmeninhaber seine mühsam aufgebaute Firma als Verantwortungseigentum quasi verschenkt. Aber die wenigsten sind Firmeneigentümer. Und je wenige einem eine Firma gehört, umso einfacher scheint dieser Schritt zu sein. Jeder kann nur von seinen eigenen Möglichkeiten ausgehen. Und da gibt es durchaus auch kleine und leichte Schritte. Wer zum Beispiel aufhört davon zu reden, dass der Staat doch bitte dieses oder jenes tun sollte, der kann schon mit Schweigen einen kleinen Beitrag leisten.

Ein gewisses Risiko sehe ich in allzu voreiligem Aktivismus: Wenn die Tiefe der persönlichen Kenntnisse über die sozialen Dreigliederung und die Größe der geplanten Taten zu weit auseinander klaffen. Ein anderes Risiko sehe ich einer zu starken Passivität, die überhaupt keine Angriffspunkte im eigenen Leben sieht.

7. Wir müssen erst mal Gleichgesinnte finden

Wo es Gleichgesinnte gibt, da gibt es auch anders Gesinnte. Und schon hat man Gegnerschaft - hier die guten, da die bösen. Man muss genau hinsehen: Selbstverständlich werden Anhänger der Dreigliederung im Geistesleben Gleichgesinnte suchen, die sich auch nach so etwas sehnen - die wird man im Golfclub kaum finden, in einem anthroposophischen Lesekreis schon eher. Aber schon im Wirtschaftsleben ist das Gleichgesinntsein kein Argument mehr: Die Solidarität gilt hier unbedingt allen, nicht nur den Gleichgesinnten. Und in Bezug auf das Rechtsleben macht es überhaupt keinen Sinn, hier zählt die Gleichheit, nicht die Gleichgesinntheit.

Eine ähnliche Darstellung gibt es hier: https://www.dreigliederung.ch/was-ist-dreigliederung/ unter „Häufige Missveständnisse“

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