Ausführlich beschreibt Gero Jenner, dass marktwirtschaftliche Systeme kein Pendeln um einen stabilen Zustand sind, sondern dass sie eine eigene innere Entwicklung haben. Es gibt junge und alte Marktwirtschaften. Er wird nicht müde, die enorme Kraft und Vitalität von jungen Marktwirtschaften zu beschreiben. Die Alterung geschehe vor allem in der Form, dass sich das Kapital zunehmend in den Händen von immer weniger Eigentümern konzentriere. Den entstehenden Problemen begegnen die Gesellschaften mit Verschuldung: Auf Pump gemachte Konjunkturspritzen, Steuersenkungen usw. Jede Verschuldung ist aber nur eine Bereicherung der Besitzenden, weil diese ja das geliehene Geld und den Zins zurückerhalten. Die Schwierigkeiten würden nun immer größer, da die Besitzenden immer klarer erkennen müssen, dass sie das geliehene Geld vielleicht nie wieder zurück bekommen. Solch ein Prozess hätte in der Vergangenheit dann immer in einem Krieg oder einer Währungsreform geendet, wonach das Spiel dann wieder mit einer neuen, jungen Marktwirtschaft von vorne begonnen hätte.
So weit die Analyse, die Jenner noch viel scharfsinniger und fundierter darstellt, als ich das hier kann. Was aber schlägt er zu Lösung vor?
Jenner denkt an eine Umstellung auf eine reine Umsatzsteuer. Weil das aber unsozial ist, will er die Umsatzsteuer progressiv gestalten. Wer ganz wenig kauft, zahlt keine Umsatzsteuer, wer viel verbraucht, zahlt einen höheren Steuersatz, je nach Einkommen. Wer jetzt denkt, man müsse dann an der Ladenkasse bei jedem Kauf seine persönliche Steuererklärung erfassen liegt nicht ganz falsch. Jenner setzt hier auf persönliche Chipkarten, über die jeder alle seine Käufe tätigt.
An dieser Stelle kann ich, bei aller Begeisterung für die gute Analyse, nur noch mit dem Kopf schütteln. Der technische Aufwand wäre riesengroß, ich sehe einen illegalen Handel mit verliehenen Chipkarten oder einen Schwarzmarkt jenseits der mit Lesegeräten ausgerüsteten Ladenkassen. Braucht dann wirklich jeder Musiklehrer und jede Tagesmutter ein Lesegerät? Kann man ohne Chipkarte nicht mal mehr einen Kaugummi kaufen? Wo bleibt der Datenschutz, und wie ist die Nachvollziehbarkeit bei Abrechnungsfehlern im System?
Trotzdem ist dieses Buch mit dem Untertitel „Eine allgemeine Theorie über Eigentum, Geld, Güter und Staat“ durchaus lesenswert.